Triebgesteuert
Ich war mit meiner Tochter in den Ferien. Heisst, wir verbrachten sehr viel Zeit zusammen. Heisst, meine unerschrockenste Kritikerin hatte 9 Tage lang Zeit um mich eingehend zu studieren und mir ihre Analyse vorzutragen.
Die lautet wie folgt: „Manchmal spinnst du. Keine Ahnung warum du immer wieder das dringende Bedürfnis hast, zu quietschen oder merkwürdige Klänge von dir zu geben und eigenartig rum zu tanzen. Kann ganz schön peinlich sein. Und du suchst manchmal schon fast krankhaft die gute Stecknadel im Heuhaufen, der voller Hühnerscheisse ist.“
Dass ich die tollste Mutter der Welt sei, sagte sie auch. Nur so ganz nebenbei erwähnt. Weil mein Stolz so juchzt wenn ich das schreibe und ich mich dann weniger alleine fühle mit dem Drang, vor Freude zu quietschen.
Sie hat so recht. Gib mir einen Haufen Scheisse und ich werde was Gutes daran finden. Ja, manchmal auch schon fast krankhaft. So im Sinne von: Ok, dir sind Arme und Beine abgefault. Echt schlimm. Aber stell dir vor, es wäre dein Kopf gewesen! Dann wärst du jetzt tot! Also ist es doch ganz ok, dass deine Arme und Beine weg sind.Ich habe darüber nachgedacht, warum das so ist.
Und komme zum Schluss: es ist reiner Selbsterhaltungstrieb.
Ich mag den. Der kann Leben retten.
Und so lasse ich mich triebsteuern. Gehe auf Schatzsuche nach Lustigem und Schönem überall wo ich kann. In Situationen, Konversationen, Gedanken und Gefühlen.
Suche Schätze auf dreckigem Asphalt, lustige Gesichtsausdrücke wenn ich verpenntzerknittert in den Spiegel schaue, lache mich krumm wenn mir eine Freundin die hässlichsten Konzertfotos von ihr schickt und ich ihr meine, geniesse die Ruhe wenns mir zu schlecht geht um zu arbeiten, freue mich darüber, dass wir immer genügend Regenwasser haben zum Duschen wenn der Sommer komplett verregnet ist und über die Herausforderung, noch stärker zu werden, noch mehr Vertrauen zu lernen, noch standhafter zu werden darin, in meiner Mitte zu bleiben in Zeiten, die meine Existenzängste, Verlustängste, Todesängste, etc. triggern, und wenns mir nicht gelingt, schreibe ich halt einen lustigen Text darüber.
Dann fühlt sich alles wieder leichter an. Verspielter. Beweglicher. Und ich bekomme Lust auf Tanzen. Manchmal auch auf Freudenschreie.
Ich folge meinem Trieb. Er wird mich erhalten, egal was passiert.
Und ich erzähle davon weil ich zum Schatz suchen verführen will. Damit wir noch mehr sind, die mitten im verschissenen Heuhaufen sitzen und plötzlich laut lachen. Juchzen in Situationen, in denen sonst niemand was Schönes sieht. Weil sie gerade einen Schatz gefunden haben. Vielleicht so klein, dass er beinahe unsichtbar ist.
Bringen wir Farbe in die Nebelsuppe! Erhalten wir uns!
Nein, liebe Gefühlsprofis. Das ist nicht Verdrängen. Ich sitze ja mitten in der Scheisse wenn ich die Nadel finde. Das heisst, ich lasse sie zu. Gebe mich rein.
Aber gebe nicht auf.