Gott bewahre mich vor Wollhosen
Die letzten Tage war ich in St. Gallen bei einer Freundin. Wie immer stand ich Stunden früher auf als sie, zog mir eine urgemütliche Wollhose von ihr und gelbe Finken von ihrem Freund an und ging raus zum Rauchen.
Schon während dem Schliessen der Haustüre realisierte ich, dass ich mich rausgesperrt hatte. Und andere aufwecken bloss weil ich es nicht schaffe, eine Tür im Griff zu haben, kommt nicht in Frage. Also ging ich in eine Kirche. Der einzige Ort, wo sich Frühaufstehgestörte treffen können, die nicht in eine Selbsthilfegruppe gehen wollen.
Ich sass da eine Weile auf einer Bank rum, suchte vergebens eine Bibel (warum gibt es keine Bibel in einer Kirche? Notfalls lese ich alles!) und beobachtete die anderen Menschen.
Sie beteten, einer sang sogar in Latein und ich bemühte mich, auch so religiös zu wirken wie sie, denn es ist zu hart, selbst in der Gruppe der Frühaufstehgestörten nicht dazu zu gehören.
Sie mussten einfach meine Freunde werden! Zusammen würden wir frühstmorgens unsere Augenringe im Wind flattern lassen. Mit ihnen wäre das Leben weniger langweilig weil ich nicht mehr täglich stundenlang warten muss, bis die anderen Menschen wach sind und endlich wer mit mir spricht.
Sie würden mich auch nie schockiert ansehen wenn ich sage: „Ich bin um 5 aufgestanden weil mich so sehr darüber freute, dass Morgen war“. Sie würden verständnisvoll grinsen. Und wir würden zusammen schon um 4 aufstehen. Einfach damit noch eine Stunde länger Morgen ist.
Aber meine hoffentlich neuen Freunde waren irgendwie merkwürdig. Niemand von ihnen schaute mich an. Niemand sprach mit mir. Alle wollten bloss mit diesem Gott sprechen.
Es könnte sein, dass sie sich so daran gewöhnt haben, dass ihnen niemand antwortet am frühen Morgen, dass es voll ok ist für sie, zu Gott zu sprechen.
Irgendwann musste ich dringend zur Toilette und hoffte, dass es wenigstens das hat in einer Kirche. Ich erhob mich und als ich in der Mitte der Kirche war, spürte ich plötzlich etwas Merkwürdiges an meinen Beinen, schaute runter und sah, dass mir meine Wollhose runter gefallen war.
Ich lachte absichtlich laut damit alle dachten, Gott und ich hätten zusammen eine Challenge bei der jeweils einer von uns in merkwürdigen Momenten die Hose runter lassen muss, riss die Hose hoch und schlurfte so cool wie nur möglich in meinen gelben Finken aus der Kirche.
Ich weiss nicht, ob sie mir das mit der Challenge abgekauft haben. Es könnte sein, dass ich nun niemals aufgenommen werde in die Crew der St. Galler Frühaufstehgestörten. Dass ich für immer einsam meinen Augenringen beim Windsurfen zuhören werde. Und dass ich die nächsten Tage deswegen so traurig bin jeden Morgen, dass ich mich nicht mehr freue beim Erwachen und wieder einschlafe.
Es könnte sein, dass eine Wollhose mein täglich Glück zerstört hat.
Irgendwie erschüttert mich dieser Satz so sehr, dass ich nicht mehr weiter schreiben kann.
Eine Wollhose….
Eine Wollhose!