Schreiben um des Schreibens willen
Die letzten 1.5 Wochen war ich so oft unter Menschen, so oft exponiert beim Spielen dass ich heute nach einem Morgenkonzert fand, nun sei Zeit für Rückzug. Zeit um Gitarre zu üben. In den Wald zu gehen. Und um zu baden.
Nichts davon habe ich getan, bloss geschlafen und einen leicht verstörenden Film über Schiller geschaut nach dem ich eine Weile lang durch die Wohnung torkelte und dachte, ich müsse jetzt unbedingt ein weltbewegendes Gedicht schreiben bis mir in den Sinn kam, dass ich ja nicht Schiller bin, nicht krank bin wie er im Film und meine Gedichte nicht mal einen Millimeter dieser Welt bewegen würden.
Aber die Lust auf Schreiben ist geblieben. Obwohl ich mich immer wieder frage, wieso ich das tue. Texte hier und auf FB zu veröffentlichen. Mich exponieren wenn ich eigentlich Lust auf Rückzug habe.
So oft schreibe ich genau dann. Manchmal lösche ich Posts auf FB sofort wieder weil es sich so unheimlich anfühlen kann, Wörter in einen Raum zu schicken, in dem so viele sind, die ich gar nicht kenne. Und doch fühlt sich schreiben nur dann wirklich gut an, wenn ich die Wörter teilen kann.
Dieses Tagebuch-Ding hab ich ausprobiert. Immer mal wieder kaufe ich ein leeres Buch und beginne es zu beschreiben. Aber diese Worte hängen dann in einer unerträglichen Einsamkeit in diesen Blättern. Bereits tot kaum geboren.
Diese Bücher beginnen mir jeweils Angst zu machen. Staubige, eckige Wesen, die tote Worte in sich rum tragen. Erstickt im trockenen Papier. In keinem sind mehr als 10 Seiten beschrieben. Dann kaufe ich das nächste. Weil es noch leer ist. Und ich hoffe, es habe bloss am Buch gelegen, dass kein Wort überlebt hat. Doch bei jedem Buch passiert das Selbe.
Also teile ich das Geschriebene. Exponiere mich auch wenn ich das eigentlich gerade nicht will. Weil ich möchte, dass die Wörter leben. Und weil Schreiben etwas vom Allerschönsten ist. Buchstaben aneinander reihen. Ihnen zusehen, wie sie zusammen Wörter bilden. Die Gefühle in mir in Sätze fliessen zu lassen. Die Sätze manchmal nochmals durchlesen. Sie abändern bis sie wirklich meinem Gefühl entsprechen. Und bis ihr Rhythmus stimmt.
Langsam werden. Langsam denken. Weil meine Finger nicht so schnell schreiben können wie mein Hirn gerne denkt.
Einzelne Wörter lange anschauen, sie auf meiner stummen Zunge spüren wie ein Bonbon das langsam weich wird.
Vor ca. 30 Jahren fragte mich mein Vater, warum ich gerne schreibe. Ich antwortete: „Weil schreiben so schön ist“. Er sagte: „Schreiben um des Schreibens willen“. Einer der allerschönsten Sätze, die ich je gehört habe.
Schreiben um des Schreibens willen. Dieser Satz fliesst. Wie ein Bach mit nur einem Stein drin über dem die Worte eine Welle machen.
Aber es stimmt nicht ganz. Es ist schreiben um des Schreibens und des Wörter teilens willen.
Eigentlich wollte ich erzählen wie es so ist seit drei Monaten ohne eigenes Zuhause. Weil ich darüber nachdachte bevor ich zu schreiben begann. Doch dann… Kam es ganz anders als geplant. Wie so vieles. Oder eigentlich wie das Meiste.
Ich bin am Forschen. Was passiert, wenn ich nicht plane. Wenn ich nicht suche. Und suche darum kein Zuhause. Vergesse manchmal sogar, dass ich eines haben könnte. Und bin gespannt, was passiert.
So. Ausgeschrieben. Endlich kann ich baden.
Ein paar Wörter mehr haben überlebt.
Leben Wörter glücklicher wenn sie gelesen werden? Ich denke schon. Weil sie dann für einen Moment in den Köpfen der Lesenden leben. Für einen Moment auch noch in anderen Menschen als in mir zuhause sein dürfen.
Und in den Köpfen dieser Menschen auf deren Wörter treffen.
Ein schönes Bild. Wie eine Kugel voller Wörter in einem anderen Kopf zu Besuch ist und da auf eine Horde anderer Wörter trifft.
Manchmal feiern sie zusammen und manchmal streiten sie sich.
Aber immer… Leben sie.
Danke, falls du meiner Wortkugel für einen Moment ein Zuhause gegeben hast.